
Rechtsruck in der Schweiz: Was bedeutet der Wahlsieg der SVP für Einwanderer aus Deutschland?
Das Schweizer Volk hat gewählt: Mit einer aggressiven Wahlkampagne holt sich die SVP Stimmen bei Frustrierten und Verunsicherten aller Lager.
Dabei spielt ihr die aktuelle weltpolitische Lage in die Karten. So «turbulent» es auf dem internationalen Parkett auch zugehen mag: In der Schweiz, die dauernde Neutralität als Grundsatz ihrer Aussenpolitik definiert, will man lieber nicht gestört werden und hängt trotz internationalen Drucks der Illusion einer «Insel der Glückseligkeit» inmitten Europas nach.
Die SVP hat bereits Wochen vor der Wahl mit einer aggressiven Plakatkampagne (und Postwurfsendungen) auf ihr zentrales Wahlthema aufmerksam gemacht: «Keine 10-Millionen-Schweiz» prangt es von riesengrossen Leuchttafeln am Zürcher Hauptbahnhof. Dabei bedient sich die Partei ihres traditionellen Zugpferdes, nämlich der Eindämmung der Einwanderung in die Schweiz.
Tituliert wird das Ganze als «Nachhaltigkeits-Initiative» und die aktuelle Einwanderungspolitik muss als Sündenbock herhalten. Die SVP umreisst auf ihrer Website das Problem wie folgt: «Seit Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU vor zwanzig Jahren sind eineinhalb Millionen Personen netto in die Schweiz eingewandert. Jedes Jahr kommen weitere rund 80’000 Personen neu in die Schweiz, was der Grössenordnung der ganzen Stadt Luzern oder St. Gallen entspricht. Allein im Jahr 2022 sind 180’000 Menschen in unser Land eingewandert, mehr Personen als die Stadt Basel Einwohner zählt.»
«Die Gründe sind folgende: Masseneinwanderung aus der EU als Folge des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU, stark zunehmende Asylzahlen – vor allem aus Afrika und dem Mittleren Osten – Kriegsvertriebene mit Aufenthaltsstatus S aus der Ukraine, der Familiennachzug infolge der Personenfreizügigkeit mit der EU sowie die Einwanderung aus Drittstaaten.»
Nicht erwähnt wird, dass Einwanderer einen beachtlichen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung des Landes haben, Expertenwissen importieren (brain gain) und die Konjunktur beflügeln.
Dabei profitiert die Schweiz bereits seit langer Zeit von der Zuwanderung aus dem Ausland, wie ein Beispiel aus der Vergangenheit belegt: Im Jahr ihrer Gründung 1833 hatte die Universität Zürich auf allen elf Lehrstühlen ausländische Professoren. Einige der erfolgreichsten Unternehmen der Schweiz wurden von visionären Migranten gegründet: Bekannteste Beispiele sind Nestlé (Deutschland) und Maggi (Italien).
Der Überfremdungsdiskurs zeigt, wie gespalten die Bevölkerung ist. Auf absehbare Zeit wird es der SVP kaum möglich sein, am Freizügigkeitsabkommen zu rütteln, denn das Verhältnis zur EU (50% der Schweizer Exporte gehen in die EU. Die EU ist der mit Abstand wichtigste Markt für die exportorientierte Schweizer Industrie) darf nicht belastet werden.
Nur eine konstruktive Zusammenarbeit mit der EU wird es der Schweiz weiterhin ermöglichen, ihren Wohlstand zu bewahren. Hierzulande braucht es eine Politik der Offenheit und Dialogbereitschaft. Die rechtspopulistische Propaganda, mit der sich die SVP ihre Wählerstimmen erhascht hat, ist kein zukunftsfähiges Konzept, sondern trauriges Zeugnis einer konfliktbeladenen Gegenwart, die viele Menschen verunsichert.